Was die FPÖ mit dem Spionagefall Egisto Ott zu tun hat


Der mutmaßliche Doppelagent stand laut Ermittlungsakt im ständigen und engen Austausch mit dem Ex-FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein. Warum hat Ott illegal Anti-Faschist*innen nachspioniert?

An jenem sonnigen Samstagnachmittag im Juni 2016 ging es in Wien heiß her. Eine Demonstration der rechtsextremen Identitären zog durch die Stadt, Antifaschist*innen stellten sich ihnen in den Weg. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, um den Identitären den Weg zu bannen. Steine flogen in Richtung der Rechtsextremen, Barrikaden wurden errichtet. Erst nach Ende der Demonstration beruhigte sich die Situation wieder.

Das Geschehen wurde damals von jenem Mann beobachtet, der seit Karfreitag in U-Haft sitzt: Egisto Ott, damals Agent des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Ott steht im Zentrum einer Spionageaffäre, die seit Tagen Österreich beschäftigt. Ihm wird vorgeworfen, für Russland spioniert sowie illegal Personendaten aus Polizeidatenbanken abgefragt zu haben. Auch soll er Smartphones hoher Beamt*innen der Republik an russische Dienste weitergegeben haben. Erste Hinweise auf seine Tätigkeit gab es bereits 2017, die zu einer Suspendierung führten. Ott bestreitet alle Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Was Egisto Ott vorgeworfen wird

Ott wird unter anderem vorgeworfen, für seinen ehemaligen BVT-Vorgesetzten Martin Weiss Informationen besorgt zu haben, der auf der Payroll des flüchtigen Wirecard-Managers und mutmaßlichen russischen Spion Jan Marsalek stand. Ott hat zugegeben, den Investigativjournalisten Christo Grozev, der für das Recherchenetzwerk „Bellingcat“ und das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ arbeitet und über die Machenschaften russischer Geheimdienste schrieb, ausgeleuchtet zu haben. Er fragte Grozevs Adresse in Wien ab und „es könnte sein“, dass er Fotos von dessen Wohnhaus gemacht habe, wie Ott dem „Spiegel“ sagte.
Grozev hat 2023 Österreich verlassen, da er sich nicht mehr sicher fühlte. Auch wurde in seine Wohnung eingebrochen, nachdem Ott die Daten abgefragt hatte.

Otts Interesse für Antifaschist*innen

Insgesamt hat Ott die Daten von über 300 Personen abgefragt. Darunter waren Informationen von antifaschistischen Aktivist*innen, die im Zusammenhang mit dem Protest gegen die Demonstration der Identitären standen, auch von deutschen Staatsbürger*innen. Laut Ott waren dies „dienstliche Abfragen“. Ermittler*innen haben jedoch Zweifel daran, zumindest bei einem Teil der Abfragen.

Zumal sich Ott auffällig stark für Antifaschist*innen interessiert hat. Er hat, laut Ermittlungsakten, Namen von 43 weiteren Aktivist*innen sowie deren Angehörige und Freund*innen in der EKIS-Datenbank (Elektronisches Kriminalpolizeiliches Informationssystem) in den Jahren 2016 und 2017 abgefragt und in einem Ordner, den er „LEX“ nannte, was behördenintern für Linksextremismus steht, gespeichert. Manche Namen hat er mehrmals abgefragt. Es ist unklar, warum Ott ihre Daten wollte.

Betroffene fordern Aufklärung

Bis heute wurden die Betroffenen, die im Ermittlungsakt als „Geschädigte“ von Ott bezeichnet werden, weder darüber informiert, noch als Zeug*innen vernommen. Das ist beachtlich, da die Ermittler des Bundeskriminalamtes der eigens eingesetzten „Ag Fama“ sehr wohl andere Betroffene, die nicht der Antifa-Szene zugerechnet werden, informiert und mit ihnen gesprochen hat.

Warum das so ist, ist vom Bundeskriminalamt nicht zu erfahren. Da es sich um „ein laufendes Verfahren handelt“, werden „derzeit keine Details zu den Vorfällen“ genannt, heißt es in einer Stellungnahme. Und es wird an die Staatsanwaltschaft Wien verwiesen. Dort heißt es ebenfalls: „Da es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt, kann Ihre Anfrage derzeit nicht beantwortet werden.“

Julia Spacil, eine der betroffenen Aktivst*innen, kritisiert die Behörden scharf: „Man hat mich und viele andere Betroffene wissentlich einer großen Gefahr ausgesetzt. Im Jahr, in dem Herr Ott mehrmals meine Daten abgefragt hat, gab es sowohl einen Drohbrief an meinen Arbeitsplatz als auch einen nächtlichen Einbruchsversuch in meine Wohnung, während ich dort geschlafen habe. Trotz dieser Vorfälle wurde ich nicht über den Missbrauch meiner Daten und die dadurch entstandene Gefährdung informiert.“

Spacil fordert Aufklärung darüber, was Ott mit den abgefragten Daten gemacht haben und in wessen Hände sie gelangt sind. „Es darf nicht sein, dass es erst die investigative Arbeit von Journalist*innen braucht, damit Opfer einer Straftat davon erfahren, dass sie durch das rechtswidrige Verhalten von Beamten gefährdet sind.“

Ott, Jenewein und die FPÖ

Der ehemalige FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, der seit über 30 Jahren immer wieder in der rechtsextremen Szene Österreichs zu finden ist, spielt auch in der Affäre um Ott eine nicht ganz unwichtige Rolle. Ende 2021 hat er im rechten Freilich Verlag das Buch „Der schwarze Faden“ über Österreich und die ÖVP veröffentlicht.

Das Buch bewirbt der Verlag mit den Worten: „Der Enthüller hat eine Hausdurchsuchung geschenkt bekommen, weil er sich den BVT-Apparat und seine politischen Einflussnehmer zu genau angeschaut hat“. Das ist eine Anspielung darauf, dass Jenewein für die FPÖ im BVT-U-Ausschusses tätig war, der nach der rechtswidrigen Razzia in der BVT-Zentrale im Jahr 2018 eingesetzt wurde.

Bei Jenewein gab es im Jahr 2021 ebenfalls eine Razzia, eine Hausdurchsuchung – wegen Verdacht auf illegale Informationsflüsse aus dem Verfassungsschutz. Angeblich soll Ott Geheimnisse an Jenewein für Geld übermittelt haben, nachdem dieser Ott dazu aufgefordert haben soll. Das streitet Jenewein entschieden ab, er habe weder jemanden aufgefordert, ihm Informationen zu geben, „noch habe ich dafür bezahlt.“ Es gilt für Jenewein die Unschuldsvermutung.

In „ständigem Kontakt“

Laut den Ermittlungen des Bundeskriminalamts standen Jenewein und Ott in „engem“ und ab 2018 in „ständigem Kontakt“, wie in einem Bericht festgehalten wurde, der tag eins vorliegt. Sie hatten Otts iPhone ausgewertet und entsprechende Chatnachrichten gefunden. Aus diesen soll auch hervorgehen, dass Ott Jenewein auch während des BVT-U-Ausschusses (2018 bis 2019) mit Hinweisen und Tipps unterstützte.

Jenewein hatte sich in dem Ausschuss als engagierter Verteidiger von Ex-Innenminister und dem nunmehrigen FPÖ-Chef Herbert Kickl einen Namen gemacht. Während der Befragung von Zeug*innen soll Jenewein Fotos von diesen gemacht haben und sie an Ott geschickt haben.

Monate nach der Hausdurchsuchung, im Jahr 2022, trat Jenewein aus der FPÖ aus. „Jenewein stand innerparteilich im Verdacht, Dirty Campaigning gegen Parteifreunde betrieben zu haben,“ schrieb der „Standard“ dazu. Allerdings gab und gibt es dafür keinerlei Bestätigung.

Ein aktives Mitglied der SPÖ?

Trotz dieser Nähe zu Jenewein, haben sich rund um Ott einige Mythen in Medien verbreitet. So wurde immer wieder mal erwähnt, er habe sich als „aktives Mitglied der SPÖ“ bezeichnet. Was seitens der SPÖ nicht bestätigt wird. Auf Anfrage von tag eins heißt es dazu, dass er „seit Jahren“ kein Mitglied mehr sei. Allerdings hat Ott 2018 bei seiner Zeugeneinvernahme nach der BVT-Razzia gesagt, dass er „eingeschriebenes SPÖ-Mitglied“ sei. Daraus wurde offensichtlich „aktives SPÖ-Mitglied“.

Die Daten von Otts Smartphone legen nahe, dass er auch Kontakte zu anderen Politiker*innen und Journalist*innen unterhalten haben soll, etwa zu Peter Pilz oder Helmut Brandstätter von NEOS. Jedoch bezeichneten die Ermittler nur die Kontakte zwischen Jenewein und Ott als „eng“.

Ott hat 2022 dem Onlineportal „Zackzack“ ein Interview gegeben, das auf Youtube abrufbar ist. Im Zusammenhang mit Peter Pilz wird in Medienberichten auch erwähnt, dass „Zackzack“ Inhalte eines jener Smartphones veröffentlichte, die Ott an Russland weitergeleitet haben soll.

„Jan aus dem BVT“

Der Stand der Dinge ist, dass hauptsächlich Freiheitliche an zentraler Stelle der Affäre auftauchen. Nicht nur Jenewein. Der frühere FPÖ-Nationalrat Thomas Schellenbacher organisierte für den Wirecard-Vorstand Marsalek das Fluchtflugzeug. Und der ehemalige FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus Nachrichten chattete mit dem ehemaligen Generalsekretär der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft, Florian Stermann, über Informationen, die von einem „Jan aus dem BVT“ stammen. Dabei handelte es sich um Jan Marsalek. So wurde darüber geredet, einen bekannten Anwalt zum Chef eines von der FPÖ „reformierten“ Bundesamts für Verfassungsschutz zu machen. In seiner Einvernahme betonte Stermann dazu: „Das ist alles von Marsalek, ich habe keine nähere Kenntnis zu Hintergründen.“

Bisher wurde die Rolle von Freiheitlichen in der Affäre zu wenig beachtet. Für die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper ist die „FPÖ der nützliche Idiot von Putin, im schlimmsten Fall sogar wissentlicher Handlanger von Russland in Österreich.“ Sie fordert daher „akribische Aufklärung und Konsequenzen“. Krisper hält die Entrüstung der regierenden ÖVP, die auch den zuständigen Innenminister stellt, über die Affäre für „unredlich und unglaubwürdig. Schließlich hat die Volkspartei einen Innenminister Kickl zugelassen und unter ihren Innenminister*innen den Verfassungsschutz nicht durch professionelle Personalpolitik kompetent aufgestellt, sondern durch systemische Postenkorruption geschwächt und so für externe Mächte empfänglich gemacht.“